22. May 2019

Mehr Platz oder darf es auch ein bisschen weniger sein?

Der größte Ausgabenposten eines typischen Haushalts in Deutschland sind die Wohnkosten.

Neben der reinen Kaltmiete (oder den Darlehensraten für das Eigenheim oder die Eigentumswohnung) schlagen auch die Kosten für Heizung und Strom, Gas und Warmwasser zu Buche. Dazu kommen Aufwendungen für Reparaturen und Instandhaltung, Grundsteuer sowie weitere kommunale Nebenkosten wie Abwasser oder Abfallentsorgung. Bei Eigentumswohnungen heißt das Hausgeld. Je höher die Wohnfläche, desto höher diese Kosten, in der Regel.

Bei ihrer Immobiliensuche gehen Menschen unterschiedlich vor. Viele suchen „so groß wie möglich“. Das kann der Wunsch nach mehr Lebenszufriedenheit sein, aber oft resultiert dies aus einer Ansammlung von Eventualitäten, die man im Zweifelsfall berücksichtigen will.
Falls also mal Besuch kommt und länger bleibt oder auch Home Office angestrebt wird, ein raumgreifendes Hobby oder eventueller Nachwuchs – für alle Fälle soll immer die entsprechende Fläche zur Verfügung stehen. Und wird dann doch kaum genutzt.
In der Folge mieten oder kaufen sie fast immer deutlich zu groß. Und damit zu teuer.

Nicht selten sieht man darum Familien die größtmögliche Immobilie mieten oder kaufen, die sie sich mit ihrem Einkommen gerade noch leisten können.
Und sich oft auf 30 Jahre verschulden, bis das Darlehen tatsächlich zurückgezahlt werden kann.

Während wir online Vergleichsportale aufsuchen und zum billigsten Anbieter klicken oder Centpreise für Benzin oder Diesel an den Tankstellen über unseren Autokauf entscheiden,  sind wir beim Wohnungs- oder Hauskauf eher irrational unterwegs. In der Hoffnung, dass mehr Wohnfläche auch mehr Wohlfühlfläche bedeutet. Aber stimmt das auch?

 

Wie wohnt man richtig?

Tatsächlich sorgen ganz andere Faktoren für ein zufriedenes Wohnen: kurze Strecken zum Arbeitsplatz, zu Freunden und zur Familie. Eine nette Nachbarschaft. Eine erholsame und ruhige Lage. Oder das Gegenteil davon, sehr städtisch mit allen Geschäften und Lokalen fußläufig, so dass das Auto obsolet wird. Also nichts, was mit Wohnfläche zu tun hat.

Komfortabel Wohnen bedeutet, Alltagstätigkeiten effizient und stressfrei nachgehen. Allenfalls ein besonderes Hobby, das ein bisschen Platz benötigt, zu integrieren: Nähen, Malen, Elektro-Basteleien – wie oft benötigt?

Mehr als 30 Quadratmeter pro Person braucht also eigentlich fast niemand, und das auch nur, wenn man ganz alleine wohnt. Das ist die genügsame Linie, „brauchen“. Die Aufstockung entspricht also dem „wollen“, und auch darüber sollte man kritisch nachdenken.

 

Wie aber sieht die Realität in Deutschland aus?

Laut Statistik des deutschen Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) beträgt die durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnfläche (über alle Altersklassen) derzeit 45 m².

Und je älter wir werden, desto größer wird unser Wohnraum. Dann sind die Kinder ausgezogen und die Eltern bleiben im zu großen Haus. Der Partner stirbt und man verbleibt allein in der Wohnung. Und die Kinder ziehen schnell aus, schneller als man denkt. Die Zeit davor haben sie auf dem Spielplatz oder bei Freunden verbracht. Die 30 m² Kinderzimmer mit Hochbett und Rutsche und allem Firlefanz – wie viele Stunden wurden sie tatsächlich genutzt?

Was auch zu beobachten ist: Mit steigendem Einkommen wachsen auch die Ansprüche an den Wohnraum beziehungsweise an die schiere Fläche. Wenn man ein neues Auto kauft, fragt man nach PS, beim Kauf einer neuen Immobilie nach der Wohnfläche. Während man aber beim Auto dann doch fragt: „Und was verbraucht der so im Schnitt, in der Stadt oder auf der Autobahn?“, taucht diese Frage bei Immobilien gar nicht erst auf. Vielleicht sollte sie das aber, im Zuge der steigenden Preise bei Rohstoffen und der erhöhten Aufmerksamkeit für nachhaltige Energien.

Nicht zu vergessen – es heißt auch: Wohn- und Putzfläche. Mit jedem Quadratmeter steigen die Kosten für Heizung, Reparaturen, Instandhaltung und Putzaufwand. Für das Arbeitszimmer, das nett eingerichtet ist, obwohl man längst alle beruflichen und behördlichen Belange über das Smartphone oder Tablet am Esstisch oder auf der Couch erledigt. Für das Gästezimmer, dessen Unterhalt mehr kostet, als den seltenen Gästen in einem netten Bed&Breakfast oder einem kleinen Hotel im Bezirk ein Zimmer zu buchen.

"Wie groß?" ist noch immer die häufigste Frage, wenn man erzählt, dass man eine neue Wohnung bezogen hat. Und die Antwort sagt gar nichts über die Wohnqualität aus. Eine ungünstig geschnittene Wohnung, mit einer riesigen Wohnküche mit Kochinsel in einer Single-Wohnung, in der mehr Essen bestellt als gekocht wird, kann genauso viel Quadratmeter haben wie eine Familienwohnung, die vernünftig geschnitten ist, private Rückzugsräume und gleichzeitig oft frequentierte Gemeinschaftsflächen bietet. Dabei noch geschickt möbliert und ausgeleuchtet, ist großzügiges Wohnen keine Frage der Fläche mehr, sondern der Inspiration beim Einrichten.


Wie groß ist sinnvoll?

„Effizienz“ ist hier das Zauberwort. Was Sie vermutlich längst aus Ihrem beruflichen Alltag kennen. Aber beim Thema Wohnen sind wir gerne verschwenderisch, beheizen 4 Meter hohe Altbaudecken und Gäste- oder Arbeitszimmer, die kaum genutzt werden.

Die Pro-Kopf-Wohnfläche hat sich in Deutschland seit den sechziger Jahren fast verdoppelt. In anderen Ländern stehen den Menschen weniger Quadratmeter zur Verfügung, in Tokio beispielsweise weniger als 15 Quadratmeter pro Einwohner. Je größer die Städte, desto knapper der Raum – klein in der Stadt oder üppig auf dem Land? Es ist Ihre Entscheidung. Denken Sie darüber nach.

Seien wir mal ehrlich: Das Arbeitszimmer beschränkt sich heute auf einen Laptop, mit dem man wahlweise am Küchentisch oder auf der Couch sitzt. Die Röhrenfernseher sind verschwunden, der Flachbildschirm hängt schlank an der Wand, und die Musik wird über den iPod gehört. Dank E-Book verschwinden auch die Bücherregale. Hand aufs Herz: Wie viele Stunden verbringen Sie tatsächlich in Ihrer Immobilie? Und wie viele Quadratmeter davon benötigen Sie tatsächlich zum Wohnen?

Unser modernes Leben ist von Mobilität geprägt. Mehr Umzüge, häufiger Scheidung, weniger Kinder. Oft ein Wohnen auf Zeit, nicht selten im Ausland. Nichts, was rechtfertigt, sich für raumgreifende und vermeintliche Wohngewohnheiten auf viele Jahre zu verschulden.  
Essen wird bestellt und geduscht wird im Fitnessstudio. Wozu dann die Wohnküche mit Kochinsel und das Wellnessbad mit Regendusche und integrierter Sauna?


Die Ausnahmen

Wer Musik liebt und die über seine High-End-Stereoanlage hört, braucht sicher ein größeres Zimmer, weil die teuren Lautsprecher frei im Raum stehen sollten, sonst scheppern sie an der Wand wie nichts Gutes. Oder wer Filme liebt, diese auch regelmäßig schaut, braucht ein Heimkino in einem entsprechenden Raum. Kinogänger und iPod-Hörer können hier Abstriche machen.
Wenn Sie ein raumgreifendes Hobby haben, für Ihr Home Office tatsächlich Platz brauchen, weil Sie große Pläne zeichnen, Kleider nähen oder ähnliches: dann ist ein Arbeitszimmer zwingend und sinnvoll. Oder Sie sammeln Kunst und möchten die auch inszenieren: ein guter Grund, ein paar Quadratmeter mehr zu haben. Vielleicht brauchen Sie auch nur Platz zum Atmen.

Vermutlich gibt es noch viele Gründe mehr. Unterscheiden Sie zwischen brauchen, wollen und müssen. Aber all das sollten Sie bei Ihrer individuellen Immobiliensuche berücksichtigen.

Sprechen Sie mit uns. Wir beraten Sie gerne bei Ihrer Immobiliensuche in unserem Shop in Lichterfelde West.

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