21. Apr 2012

Die Lücken füllen sich

Der Hype um Berliner Immobilien findet anderswo statt – trotzdem werden in Steglitz-Zehlendorf zahlreiche Wohnungen gebaut.

Steglitz-Zehlendorf – das klingt für viele betulich, bieder-vornehm und vor allem nach altem West-Berlin. Doch Steglitz- Zehlendorf, der Bezirk mit den Ortsteilen Dahlem, Lankwitz, Lichterfelde, Nikolassee, Steglitz, Wannsee und Zehlendorf – das klingt auch verheißungsvoll. Gerade für Unternehmen, die ihr Geld mit Immobilien verdienen. So wie die Project-Unternehmensgruppe aus Bamberg. Sie hat diese Woche bekannt gegeben, dass sie in Zehlendorf – genauer: an der Schlettstadter Straße/Ecke Sundgauer Straße – ein Grundstück erworben hat, auf dem 111 Wohnungen mit gehobener Ausstattung errichten will. Zwar werden diese erst 2016 fertig sein, doch schon jetzt loben die Bamberger den Standort über den grünen Klee: „Zehlendorf gilt als das nobelste und teuerste Wohngebiet mit dem höchsten Lebensstandard der Stadt.
 Auch an Steglitz, dem nicht ganz so edlen Teil des Bezirks, hat die Project- Gruppe Gefallen gefunden. In der Albrechtstraße 112a/113 sicherte sie sich im vergangenen Jahr ein Grundstück, auf dem sie 63 Wohnungen bauen will. Dabei sind die Bamberger nicht die einzigen, die an das Potenzial der Gegend glauben. „Seit etwa drei Jahren“, beobachtet Carsten Sellschopf, Leiter der Hochtief Solutions HTP, „steht verstärkt der Berliner Westen im Fokus von Käufern und Mietern. Aus diesem Grund konzentrieren wir uns derzeit mit unseren Wohnprojekten auf ebendiese Gegenden“ – und damit meint Sellschopf neben Wilmersdorf und Schöneberg insbesondere Steglitz- Zehlendorf.

Das größte Vorhaben, das die Projektentwicklungssparte des Baukonzerns Hochtief vorbereitet, nennt sich Cedelia. Gemeinsam mit Kondor Wessels plant HTP auf dem Areal der ehemaligen Steuben-Kaserne am Dahlemer Weg nicht weniger als 280 Wohnungen. An diesem Wochenende starten die Partner den Vertrieb für die Eigentumswohnungen, die im Durchschnitt knapp 3000 Euro pro Quadratmeter kosten. Mit Größen zwischen 50 und 185 Quadratmeter sprechen sie mehrere Zielgruppen an – „Familien, Paare und Alleinstehende jeden Alters“, wie HTP-Sprecherin Gabriele Stegers sagt. Dabei entstehen neben Eigentums- auch Mietwohnungen. Wie hoch die Mieten sein werden, steht laut Gabriele Stegers indes noch nicht fest.

Ausschließlich Eigentumswohnungen sind hingegen beim zweiten Projekt des Essener Baukonzerns vorgesehen, dem „Wohnen am Bäkepark“. An der Brahmsstraße/Ecke Klingsorstraße in Lichterfelde errichtet er 42 Eigentumswohnungen, die Ende 2013 bezugsfertig sein werden. 18 davon sind bereits verkauft, wobei der durchschnittliche Quadratmeterpreis 3270 Euro beträgt. Besonders ansprechen dürfte das Projekt umweltbewusste Menschen: „Das Wohnensemble“, erläutert Stegers, „wird über ein eigenes Blockheizkraftwerk verfügen, mit dem Strom und Wärme erzeugt wird.“ Dadurch erreicht das Projekt den KfW-Effizienzhaus-55-Standard.

Auf Energieeffizienz setzt auch das Unternehmen Diamona & Harnisch beim Königsquartier. Nach der für Ende dieses Jahres angekündigten Fertigstellung wird eine Geothermieanlage 60 Prozent des Heizenergiebedarfs decken. 90 bis 250 Quadratmeter groß sind die 41 Wohnungen an der Königstraße, die Architekt Klaus Theo Brenner geplant hat und die sich auf fünf neue Stadtvillen und einen Altbau verteilen. Die gehobene Ausstattung hat ihren Preis: 3400 bis 5100 Euro pro Quadratmeter verlangt der Bauherr – trotzdem sind vier Fünftel der Einheiten verkauft.

In einem preislich ähnlich gehobenen Segment bewegt sich das Projekt Estilo Schlachtensee, das das Unternehmen Interhomes fünf Fußminuten vom Schlachtensee entfernt errichtet. Ganz in der Nähe des S-Bahnhofs Schlachtensee entstehen in drei Bauabschnitten insgesamt 32 Wohnungen, die zwischen 3700 und 5000 Euro pro Quadratmeter kosten. „Wir erreichen hier größtenteils die etwas ältere Klientel“, berichtet Interhomes-Sprecherin Martina von Meltzing. Die Käufer wohnten zum Teil in der näheren Umgebung in einem Haus und wünschten sich jetzt den Umzug in eine weniger aufwändige Wohnung.

Doch der Bezirk ist nicht nur für ältere Menschen attraktiv, wie Steffen Schnoor vom in Lichterfelde-West angesiedelten Maklerhaus Schnoor Immobilien berichtet: „Die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern im Südwesten Berlins kommt zu einem großen Teil von jüngeren Menschen zwischen 35 und 45 Jahren mit Kindern, die bereits in der Gegend wohnen.“ Insgesamt, so die Einschätzung Schnoors, sei der Immobilienmarkt im Südwesten der Stadt weniger vom derzeit zu beobachtenden Hype erfasst als die City-Lagen: „Es gibt hier nicht so starke Preissteigerungen wie in den Innenstadtbezirken, aber es ist auch kein Wertverlust zu erwarten.“

Gelegentlich kommen dabei auch ungewöhnliche Immobilien auf den Markt – zum Beispiel der so genannte Schweden- Pavillon am Großen Wannsee, den Makler Christian Gérôme von der Allgemeinen Immobilien-Börse vermarktet. Gemeint ist damit eine denkmalgeschützte Villa, die 1910 als Hotel errichtet wurde, und zwar an dem Standort, an dem zuvor der schwedische Pavillon der Wiener Weltausstellung von 1873 gestanden hatte. Kaufen kann man die 16 Wohnungen entweder einzeln (3200 bis 5000 Euro pro Quadratmeter) oder im Paket (11,9 Millionen Euro).

Eine interessante Geschichte hat auch das ehemalige Telefunken-Werk am Platz des 4. Juli in Lichterfelde, das nach dem Krieg von den US-Truppen genutzt wurde. Seit Jahren wandeln mehrere Investoren den Komplex in Wohnungen um – Lesley-Lofts, Loftland by Helm und Monroe-Park heißen die einzelnen Abschnitte. Die so genannten Green Lofts im Monroe-Park werden gerade für stolze elf Euro pro Quadratmeter kalt zur Miete angeboten.

Der Investitionsschwerpunkt im Bezirk befindet sich aber an der Clayallee1 Gleich drei Großvorhaben werden hier in den nächsten Jahren Gestalt annehmen (vgl. dazu das Interview mit Norbert Schmidt, Bezirksstadtrat für die Abteilung Soziales und Stadtentwicklung in Steglitz-Zehlendorf). Besonders spektakulär: die Metropolitan Gardens, wie die Prinz von Preussen Grundbesitz AG und die Terraplan das ehemalige US-Hauptquartier getauft haben. Insgesamt entstehen darin rund 300 Wohnungen, davon 130 in den ersten beiden Bauabschnitten, die bereits in der Vermarktung sind. Die allermeisten davon haben nach Angaben von Co-Investor Terraplan bereits einen Käufer gefunden – zu Preisen zwischen 4500 und 5000 Euro pro Quadratmeter, die den Erwerbern allerdings durch die Steuervorteile der Denkmal- AfA versüßt werden.


von Christian Hunziker
Erschienen im Tagesspiegel am 21.04.2012

zum Artikel auf www.tagesspiegel.de